– Die Dicke Berta –
Seid Ihr aktuell auch auf der Suche nach einem Wohnmobil und kommt Ihr Euch manchmal vor, als befändet Ihr Euch im Gedränge vor einem Supermarkt, der gerade ein Supersonderangebot hat und alle es haben wollen? Alle stehen vor dem Eingang und warten drauf, dass die Tür endlich auf geht und es herrscht ein riesen Gedränge um die besten Plätze. Jeder will der erste sein, alle haben Angst, nicht zum Zug zu kommen, es wir geschrien, geschachert, geschubst und einige versuchen, die Security zu bestechen, um eine Minute vor allen anderen rein zu kommen. Ihr wisst, was wir meinen… So erging es uns, als wir im Februar 2021 beschlossen, ein Wohnmobil zu kaufen. Recht naiv gingen wir an die Sache ran, dachten, es ginge recht einfach und man müsste nur das richtige finden und höflich mit den Leuten sprechen. Pfffhhhh,… Seht Ihr die Blase, die da gerade zerplatzt? Das war unsere Vorstellung. Die Wahrheit ist – derzeit gibt es mehr Nachfrage als Angebot. Wenn Ihr ein Wohnmobil seht, schlagt zu – zögert ihr, ist es weg. Wollt Ihr verhandeln? Vergesst es! Es gibt 10 andere Leute, die bereits hinter Euch mit den Hufen scharren. Aber eins nach dem anderen. Wir kommen noch einmal auf den Punkt der Schnelligkeit etwas später. Zunächst möchten wir Euch zeigen, was uns wichtig war, als wir die Entscheidung getroffen haben, uns rollend auf Weltreise zu begeben:
- Budget festlegen:
Das Budget war für uns ein großer Punkt, denn wir haben zwar einen einigermaßen großen finanziellen Puffer aber der ist ja vor allem für die Reise angedacht und so sollte das Wohnmobil doch nicht zu teuer werden. Für uns stand von Anfang an fest, dass wir so ein Ding nicht finanzieren wollten mittels eines Kredits oder ähnliches. Ohne groß zu überlegen oder zu recherchieren legten wir einen Rahmen fest, der uns „nicht weh tat“. Tja, schnell merkten wir, dass die Wohnmobile, die in dieser Range lagen nicht so wirklich unser Ding waren. Erst während wir suchten, wurde uns klar, dass unser Wohnmobil ein rollendes Zuhause für uns werden würde, daher hatten wir recht hohe Ansprüche, die mit unserem Limit so gut wie nicht erfüllbar waren. Das Budget wurde mehrfach nach oben angepasst – nicht zuletzt durch eine großzügige „Spende“ von familiärer Seite (immer noch sooooo dankbar dafür!).
2. Kriterien für das Wohnmobil:
Aufbau/Grundriss:
Anfangs war uns noch nicht wirklich klar, was wir eigentlich wollten. Im Kopf hatten wir einen schicken Van, der cool ausgebaut werden sollte und irgendwie „lässig“ war. Solche gab es ja auch für vier Personen. Wir fuhren zu einem Händler und quetschten uns zu viert in einen Van, sahen uns an, lachten herzhaft…und gingen in die Wohnmobilabteilung. Ein Van war für uns als vierköpfige Familie dann doch nicht so ganz das richtige. Die Ausmaße sind doch sehr begrenzt, die Kinder konnten sich kaum darin bewegen und das Betten umbauen erschien uns langfristig dann doch als zu lästig. Der Van war raus.
Aber auch bei Wohnmobilen gibt es unendliche Varianten. Wie schon beim Van festgestellt, wollten wir eine Variante mit vier festen Schlafplätzen, die man auch nicht jeden Abend umbauen muss. Ein Hubbett vorne oder Alkoven? Ein festes Doppelbett im Heck oder lieber Einzelbetten oder ein Etagenbett? Die Diskussionen über die Vorteile des einen und die Nachteile des anderen gingen munter hin und her. Immer wieder versuchten wir uns vorzustellen, mit was wir am besten klar kommen würden. Ein festes Doppelbett hatte den Charme, dass wir uns beim Zubettbringen der Kinder mit dazu legen könnten, Einzelbetten waren aber auch nicht schlecht, so hätte jedes Kind ein eigenes Reich aber nahmen viel Platz im Wohnmobil an sich weg. Letztendlich siegte unser Kopf und wir entschieden für uns – es sollte ein Alkoven werden mit Etagenbett für die Kinder im Heck.
Das ist eine total individuelle Entscheidung und es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Wir sind recht bequeme Menschen und wir wollten einen gewissen Komfort haben, der für uns bedeutet, dass wir nicht jeden Abend umbauen möchten. Die Kinder schlafen momentan bereits in einem Etagenbett, sodass wir dachten, dass es ihnen so leichter fallen wird, damit zu reisen. Außerdem hätte mit dieser Variante jeder sein eigenes kleines Reich für sich. Und ein Etagenbett nahm nicht so viel Fläche weg vom Wohnmobil, wie z.B. zwei Einzelbetten. Der Nachteil ist, dass man keine Heckgarage hat. Aber das erschien uns verkraftbar. Und genau so ist nun unsere dicke Berta – Alkoven mit Etagenbett im Heck (Längsausrichtung).
Das Bad ist im Heck neben dem Etagenbett verbaut. Uns hat das gefallen, denn dadurch haben wir hinten auch eine Außendusche bereits installiert.
Erstzulassung/Laufleistung/Technische Ausstattung:
Für uns war es wichtig, dass wir kein total altes Wohnmobil kauften. Wir wollten eines finden, dass zumindest aus den 2000ern war. Für uns war aber noch mehr wichtig, dass es keinen Reparaturstau gab, die Dichtigkeit in Ordnung war und kein Rost vorhanden war.
Wenn man Wohnmobile findet, die um die 120T km Laufleistung auf dem Tacho haben, sollte man prüfen, ob der Zahnriemen bzw. die Steuerkette bereits erneuert wurden. Außerdem gibt es bei einigen Wohnmobilen die Schwachstelle „Kupplung“, sodass wir auch darauf geschaut haben, ob die ggf. bereits getauscht wurde.
Auf jeden Fall lohnt sich der Blick auf die Reifen. Wie alt sind sie und was sind es für welche? Allwetterreifen (Matsch und Schnee) oder nur Sommer-/Winterreifen? Wie sieht das Profil aus? Unsere dicke Berta hat sechs Reifen und alle waren nigelnagelneu beim Kauf.
Die Klimaanlage und Heizung ist auch ein Thema für sich. Es gibt unzählige Varianten. Ganz ohne Klimaanlage, eine nur im Fahrerhaus, Gebläse (Ventilatoren) im Wohnbereich, Standklimaanlage, Dachklimaanlage,… Genauso ist es bei Heizungen. Was uns nicht bewusst war, dass es Modelle gibt, in denen das Fahrerhaus beheizt wird aber während der Fahrt nicht unbedingt der hintere Bereich beheizt wird. Wenn man in südlichen Gegenden im Sommer unterwegs ist, bestimmt kein Thema aber wenn es gen Winter geht…? Unsere dicke Berta hat eine Klimaanlage im Fahrerhaus und Ventilatoren im Wohnbereich (wir hoffen, das reicht – der Praxistest wird es bald zeigen), sie hat eine Heizung im Fahrer- und Wohnbereich, sowie eine Standheizung.
Dichtigkeit:
Die Dichtigkeit ist ein anderes großes Thema – gerade bei älteren Alkoven Modellen. Wir fragten wirklich jedes Mal, ob eine Dichtigkeitsprüfung gemacht wurde. Macht Euch keine Illusionen, momentan wird die Antwort fast immer „nein“ sein und darüber lässt sich auch schlecht verhandeln. Aber dazu kommen wir noch einmal. Es gibt allerdings Wohnmobil-Checks, die man machen lassen kann. Wir hatten uns dazu entschieden, diese Prüfung auch nach Kauf machen zu lassen, um sicher zu sein, dass das Fahrzeug tatsächlich in Ordnung war und uns unterwegs keine bösen Überraschungen erreichen würden. Das war, bevor wir die dicke Berta fanden. Bei ihr verzichteten wir darauf, da sie wenig Kilometer hatte, von einem Händler kam, dem wir vertrauten und einfach rundherum top in Schuss ist.
Heckgarage vs doppelter Boden:
Wir überlegten, ob wir lieber eine Heckgarage mit viel Stauraum haben wollten oder einen doppelten Boden. Unsere Wahl fiel auf den doppelten Boden. Wir können uns vorstellen, auch bis in den Herbst/Winter hinein mit dem WoMo unterwegs zu sein, daher war uns die Winterfestigkeit wichtig. Was wir bis dahin nicht wussten, auch wenn „winterfest“ in der Beschreibung steht, gibt es durchaus Unterschiede in der Isolation, in der Dicke der Böden und tatsächlich gibt es auch WoMo´s, in denen der Frischwassertank im doppelten Boden verbaut ist, der Abwassertank aber nicht und damit nur „halb“ wintertauglich. Was das für einen Sinn hat, hat sich uns zumindest bisher nicht erschlossen aber nun gut… Unsere dicke Berta ist wintertauglich und frostsicher bis Minus 40 Grad – ob wir bei solchen Temperaturen im Wohnmobil schlafen möchten, wagen wir zu bezweifeln aber sie ist es jedenfalls.
Auch wichtig zu wissen: nicht jeder doppelte Boden kann Stauraum haben. Der doppelte Boden unserer dicken Berta kann jedenfalls nicht zusätzlich noch beladen werden. Das limitiert die Stauflächen ungemein, denn durch das Etagenbett im Heck gibt es auch keine große Heckgarage. Ihr solltet Euch also unbedingt überlegen, was für Euch machbar und realistisch ist.
Solaranlage: Wie möchtet Ihr unterwegs sein? Vorwiegend auf Campingplätzen oder Wohnmobilstellflächen? Dann wird normaler Landstrom vermutlich ausreichend sein. Wir wollten uns zumindest die Option lassen, auch autark stehen zu können. Daher wollten wir unbedingt eine Solaranlage auf dem Dach haben. Aber auch hier gibt es starke Unterschiede. Manchmal ist nur ein kleines Panel verbaut, sodass etwas Strom produziert wird, der aber nicht ausreichend ist, um wirklich autark zu stehen. Es gibt Rechner im Netz, wieviel Leistung ihr für Eure Familiengröße benötigen würdet mit Notebook, Handys, Spielen, Lichtnutzung, etc. Das kann recht hilfreich sein, um einschätzen zu können, ob die verbaute Solaranlage überhaupt sinnvoll ist oder nur den Preis hoch treibt.
Nice-to-have:
Kommen wir zu den Dingen, die für uns eher zweitrangig waren, über die wir aber nachgedacht haben:
Zum einen hätten wir gerne einen Fahrradträger gehabt. Die dicke Berta hat einen für vier Räder. Zwei hätten für uns erst einmal gereicht aber was man hat, hat man.
Backofen: wir haben Modelle gesehen, die bereits einen Backofen verbaut hatten. Das hat uns gefallen, machen wir doch recht viel im Backofen. Letztendlich haben wir jetzt keinen in der dicken Berta. Sie hat andere Vorzüge und es wäre nur das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen. Es gibt andere Möglichkeiten, im WoMo zu backen.
Auflastung: wir zwei Erwachsenen haben den Vorteil, dass wir beide Fahrzeuge bis 7.5 Tonnen fahren dürften. Daher hatten wir gesagt, wenn das WoMo aufgelastet ist auf 3,8 oder 4 Tonnen würde es für uns gut sein, denn entsprechend könnten wir mehr mitnehmen. Dabei ist aber zu beachten: Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gewicht müssen jährlich zur Hauptuntersuchung und es wird teurer in der Versicherung, sowie auf Mautstraßen, vor allem im Ausland. Das sollte man sich gut überlegen. Unsere dicke Berta hat eine 3,5 Tonnen Zulassung. Da wir wenig Stauraum haben, denken wir, dass wir damit hinkommen. Theoretisch könnten wir sie auflasten lassen, sollten wir uns zu sehr einschränken müssen. Wir werden sehen.
Separate Dusche: es gibt ja in den Ausstattungen Raumbäder, bei denen Wände hin und her geschoben werden können, um zu duschen oder Duschen, die dann gleichzeitig die Toilette mit fluten… Wir wollten, wenn möglich, eine separate „abgeschlossene“ Dusche haben. Das hat die dicke Berta. Wir haben sogar eine richtige Trennwand und nicht bloß einen Duschvorhang. Mal abwarten, wie es in der Praxis später ist. Nimmt natürlich etwas Platz weg.
Das waren unsere (laienhaften) Vorüberlegungen. Wie gesagt, alles ganz individuell. Kommen wir nun zum Wichtigsten:
3. Der Kaufprozess:
Dazu können wir nur sagen: seid schnell und entscheidungsfreudig! Das ist wirklich der einzige Rat, den wir in der derzeitigen Lage geben können. Folgende Geschichten sind uns passiert:
Erster Versuch: Wir fanden ein Wohnmobil online, das uns gefiel. Allerdings war der Standort nicht gerade ideal für uns. Fast vier Stunden Fahrtzeit. Wir waren unsicher aber das WoMo war schon echt toll und preislich super. Wir telefonierten mit dem Anbieter, es klang alles „perfekt“ aber wir konnten eben nicht „mal eben vorbei kommen“. Also verabredeten wir uns zwei Tage später. Wir mussten dafür Urlaub einreichen und einen Babysitter organisieren. Einen Tag, bevor wir los fahren wollten, rief der Anbieter an, das Wohnmobil sei verkauft worden. Es war jemand da und der hätte es gleich mit genommen. Hmpf…
Zweiter Versuch: wieder gleiche Ausgangssituation. WoMo online hat gefallen, preislich ok, Fahrzeit knappe drei Stunden. Wir telefonierten mit dem Anbieter, waren uns prinzipiell einig und sympathisch aber es gab noch einen anderen Interssenten, der eine halbe Stunde früher angerufen hatte. Dem müssten sie fairerweise den Vortritt lassen. Natürlich hat der es mitgenommen.
Dritter Versuch: wir schalteten selbst eine Anzeige – Weltreisefamilie sucht Wohnmobil. Tatsächlich meldete sich jemand und bot uns das WoMo an. Die Verkäuferin mochte unsere Idee und das Vorhaben und wollte das gerne unterstützen. Fahrzeit zum Standort: 4 Stunden. Wir ließen uns alles zuschicken. Das Problem war, das WoMo war sehr alt, hatte sehr viele Kilometer drauf, war „verwohnt“ und es gab ein paar technische Mängel, die wir hätten in Stand setzen müssen. Nach einigen Diskussionen und Kalkulationen, was uns das WoMo kosten würde, wenn wir alles machen ließen, haben wir abgesagt. Und erhöhten unser Budget…
Vierter Versuch: Freitag Nachmittags kam ein WoMo online, was uns sofort gefiel. Es hatte alles, was wir uns vorgestellt hatten und lag im erhöhten Budget. Fahrzeit zum Standort: 2 Stunden. Samstag morgen angerufen und einen Besichtigungstermin für 14.00 Uhr vereinbart – dieses Mal ein Händler. 13.45 Uhr – wir fahren in die Straße des Händlers… Und das WoMo kommt uns entgegen! Wir haben es sofort erkannt. In dem Moment rief die Händerlin an – es täte ihr unendlich Leid aber durch ein Missverständnis zwischen ihrem Mann und ihr hat ihr Mann nun das WoMo verkauft. Ich (Nina) habe Bastian noch nie so wütend am Telefon erlebt. Zuerst wollte er sofort umdrehen aber letztendlich waren wir schon so gut wie da und so frustriert wieder umdrehen und ohne WoMo nach Hause fahren war dann doch irgendwie keine so tolle Vorstellung. Also riefen wir noch einmal an und die Händlerin sagte sofort, dass sie noch weitere WoMos hätte, die ähnlich wären, die aber etwas teurer wären. Sie würde uns aber, weil es ihr so unangenehm wäre, einen guten Preis machen, wenn wir uns für ein anderes entscheiden würden. Wir also hin. Es standen drei WoMos in der Halle, die nicht zu teuer für uns waren. Eins davon war unsere dicke Berta.
Die Händlerin sage uns ganz offen, dass sie momentan nicht mit sich handeln ließe, da WoMos schneller weg gingen, als sie gucken könnte. In der Zeit, in der wir noch anschauten, riefen fünf andere an, die alle an unserer „Berta“ interessiert waren. Es ist ein reiner Nervenkrieg gewesen. Letztendlich haben wir ein WoMo gekauft, das wir nicht auf dem Schirm hatten, das etwas teurer war, als wir eigentlich ausgeben wollten, das aber top gepflegt, top ausgestattet und technisch einwandfrei ist. Wir können wirklich nur immer wieder betonen – sucht am besten in spontan fahrbarer Distanz, beobachtet Online-Börsen, seid sehr schnell und entscheidet sofort. Dafür hilft die eigene „Checkliste“, was einem wichtig ist. Viel Glück bei der Jagd!
Viel Spaß bei der weiteren Reise wünschen Cerstin und Richie
Die 2 Neugierigigen von gegenüber auf dem Camping la Brande Ile d’Oleron